- Sterne: Aufbau und Entwicklung
- Sterne: Aufbau und EntwicklungIn gewisser Hinsicht sind Sterne riesige Gaskugeln, in denen gigantische Fusionsfeuer brennen. Seit Millionen von Jahren strahlen sie ihre Energie ab und erscheinen dem Menschen unveränderlich. Erst die Erkenntnisse unseres Jahrhunderts eröffneten den Weg, Sterne als physikalische Objekte zu betrachten und mathematische Modelle zu entwickeln, die die Lebenswege der Sterne beschreiben.Das Gleichgewicht stabiler SterneStabile Sterne sind durch zwei wesentliche Merkmale definiert: das hydrostatische und das energetische Gleichgewicht. Im hydrostatischen Gleichgewicht herrscht an jedem Ort im Stern ein Gleichgewicht zwischen dem Strahlungsdruck, der nach außen wirkt, und der Gravitation, die nach innen gerichtet ist. Da diese Kräfte nur in radialer Richtung wirken, sind sie für jedes Materieelement einer gedachten Kugelschale gleich groß — das Gewicht der Schale und die auf sie wirkenden Druckkräfte aus dem Innern halten sich die Waage. Aus dieser Tatsache folgt die Isotropie oder Richtungsunabhängigkeit der Materieverteilung in einem nicht rotierenden Stern und somit seine Kugelgestalt.Ein energetisches Gleichgewicht liegt bei Sternen dann vor, wenn die durch Strahlung ausgesandte und damit den Sternen verloren gehende Energie kontinuierlich nachgeliefert wird. Im Prinzip verfügt ein Stern dafür über zwei mögliche Quellen: Gravitationsenergie und Kernenergie.Gravitationsenergie wird bei konstanter Sternmasse durch Verkleinern des Radius, also durch Kontraktionsprozesse freigesetzt. Dieser Mechanismus kann nur dann wirken, wenn ein Stern durch Kontraktion seine radiale Masseverteilung signifikant ändert, wie dies etwa bei der Entwicklung von Protosternen oder beim Übergang von der Hauptreihe zu Roten Riesen der Fall ist. Für die Hauptreihensterne, deren Materieverteilung sich in einem statischen Zustand befindet, scheidet diese Möglichkeit aus. Die von einem solchen stabilen Stern abgestrahlte Energie kann daher nur aus Kernfusionsprozessen stammen, die im heißen Innern des Sterns ablaufen. Die bei diesen Prozessen freigesetzte Energie bewirkt zweierlei: Zum einen sichert sie die für das Kernbrennen erforderliche hohe Temperatur der zentralen Bereiche, zum anderen sorgt sie für den ständigen Nachschub der durch Abstrahlung in den Raum verloren gehenden Energie. Physikalisch betrachtet, stellt ein »normaler« Stern also einen Materiezustand dar, den ein mehr oder weniger langlebiges stabiles Kräfte- und Energiegleichgewicht aufrecht erhält.HauptreihensterneDas Hauptreihenstadium ist die längste aktive Phase im Leben eines Sterns. Dies erklärt sich dadurch, dass die Energieerzeugung bei Hauptreihensternen auf dem Wasserstoffbrennen beruht. Darunter versteht man die Fusion von je vier Wasserstoffkernen (Protonen) zu einem Heliumkern. Weil die Masse des entstehenden Heliumkerns deutlich kleiner ist als die Gesamtmasse der vier verbrauchten Protonen, ist dies ein stark exothermer Vorgang, das heißt ein Vorgang, bei dem Energie freigesetzt wird. Durch die Fusion eines Gramms Wasserstoff entsteht so viel Energie, wie ein Europäer bei einem durchschnittlichen Energiebedarf von etwa 45 kWh pro Tag in 150 Tagen verbraucht.Die genaue Untersuchung des Fusionsprozesses von Wasserstoff zu Helium zeigt, dass es für diesen grundsätzlich zwei unterschiedliche Möglichkeiten gibt: zum einen die Proton-Proton-Kette, die der deutschamerikanische Physiker Hans A. Bethe und sein Kollege Charles L. Critchfield 1938 als direkten Energieerzeugungsprozess in Sternen vorgeschlagen haben; zum anderen den ebenfalls 1938 von Bethe gemeinsam mit Carl Friedrich von Weizsäcker ausgearbeiteten Bethe-Weizsäcker-Zyklus. In diesem auch als CNO-Zyklus bezeichneten Prozess entsteht das Heliumatom ebenfalls aus Protonen, wobei aber bereits im Stern vorhandene Kerne von Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff als »Katalysatoren« dienen.Die Energieproduktion durch die Proton-Proton-Kette und den CNO-Zyklus zeigt eine deutliche Temperaturabhängigkeit. So beruht bei massearmen Sternen mit geringer Zentraltemperatur die Energieproduktion fast ausschließlich auf der Proton-Proton-Kette. Bei massereichen Sternen mit höherer Zentraltemperatur dagegen ist sie vorwiegend durch den CNO-Zyklus bestimmt. Unsere massearme Sonne zum Beispiel erzeugt derzeit 70 % ihrer Energie durch die Proton-Proton-Kette und 30 % durch den CNO-Zyklus.Sternentwicklung nach Durchlaufen der HauptreiheWegen des immensen Wasserstoffvorrats eines Sterns kann das Hauptreihenstadium als eine Art Ruhephase gelten. Da sich das Wasserstoffbrennen tief im Innern des Sterns abspielt, reichert sich dort im Lauf der Zeit Helium an. Die äußeren Bereiche dagegen bleiben für lange Zeit unverändert und zeichnen sich durch eine nahezu konstante Leuchtkraft und Oberflächentemperatur aus. Dieses Verhalten ändert sich stark, sobald im Innern des Sterns etwa 10 bis 15 % des Wasserstoffs zu Helium verbrannt sind. Zu diesem Zeitpunkt erlischt wegen des nun fehlenden Brennstoffs die zentrale Energiequelle — und der Stern kann sein hydrostatisches Gleichgewicht im Innern nicht mehr aufrechterhalten. Dies hat gravierende Folgen. Die nach innen gerichtete Gravitation überwiegt jetzt den nach außen gerichteten Strahlungsdruck, und der Innenbereich des Sterns fällt unter seinem Eigengewicht zusammen. Die durch die Gravitation freigesetzte Energie verändert sowohl die innere Struktur als auch das Erscheinungsbild des Sterns.Die bei der Kontraktion freigesetzte Gravitationsenergie dient zu gleichen Teilen zur Erhöhung der thermischen Energie und zur Deckung der Abstrahlung. Durch die Energiezufuhr steigt die Temperatur im Zentrum des Sterns so stark an, dass sich im Übergangsgebiet vom zentralen Heliumkern zur umgebenden Wasserstoffregion eine schalenförmige Wasserstoffbrennzone ausbildet. Man bezeichnet diesen Zustand als Wasserstoff-Schalenbrennen. Das Zusammenspiel der zentralen Temperaturerhöhung und die Energieproduktion der Wasserstoffschale bewirkt einen erhöhten Energiefluss nach außen, was zu einer dramatischen Expansion der Randbereiche führt: Die Gashülle des Sterns bläst sich wie ein Luftballon auf. Als Konsequenz daraus nimmt die Oberflächentemperatur des Sterns ab. Er wird kühler, und sein Farbspektrum verschiebt sich deutlich nach rot — der Hauptreihenstern mutiert zum Roten Riesen.Parallel zur Expansion der Gashülle steigt im kontrahierenden Kern die Temperatur auf rund 100 Millionen Kelvin an, und das Heliumbrennen setzt ein, also die nukleare Fusion von Helium zu Kohlenstoff und Sauerstoff. Damit hat der Stern erneut eine ergiebige Energiequelle angezapft. Zusammen mit dem Wasserstoff-Schalenbrennen ermöglicht das Heliumbrennen dem Stern, seinen quasistatischen Zustand als Roter Riese längerfristig aufrechtzuerhalten.Lebensweg der massearmen SterneAbhängig von der Masse verläuft die Entwicklung im Zentrum des Sterns in unterschiedlicher Weise. Bei Sternen mit einer Masse größer als zwei Sonnenmassen setzt die Heliumfusion allmählich ein, und der Stern bleibt ständig im Stadium des Roten Riesen. Bei Sternen, deren Masse kleiner ist als zwei Sonnenmassen, setzt das Heliumbrennen dagegen blitzartig ein. Dieser Helium-Flash ist ein explosionsartiges Ereignis, das der Stern nur überlebt, weil er die erzeugte Energie nach außen abführt. Dabei ändert er in kurzer Zeit seine Leuchtkraft und seine Effektivtemperatur. Im HRD springt der Stern vom Ast der Roten Riesen auf das untere Ende des Horizontalasts, wo er so lange verharrt, bis der Heliumvorrat in seinem Kern zu Kohlenstoff verbrannt ist.Wie auf der Hauptreihe bei der Erschöpfung des Wasserstoffs ist es dem Stern jetzt nicht mehr möglich, das Kräftegleichgewicht zwischen Gravitation und Strahlungsdruck aufrechtzuerhalten. Deshalb beginnt der Zentralbereich des Sterns erneut zu kontrahieren, und die Außenbereiche oberhalb der Wasserstoffschalenquelle dehnen sich extrem aus. Weil dabei die Oberflächentemperatur des Sterns kaum niedriger wird, führt dieser Ausdehnungsprozess zu einer entsprechenden Zunahme der Leuchtkraft. Im HRD wandert der Stern vom Horizontalast nahezu senkrecht nach oben und entwickelt sich entlang des asymptotischen Riesen-Asts zu einem Überriesen. Typisch für diesen sind eine extrem ausgedehnte kühle Hülle und ein sehr kompakter heißer Kern, der im Wesentlichen aus Kohlenstoff besteht.Die Hüllen der Überriesen sind wegen ihrer großen Ausdehnung von 100 bis 1000 Sonnenradien gravitativ nur noch sehr schwach an den Kern des Sterns gebunden. Schon ein geringer Impuls genügt, um den Überriesen aus seinem hydrostatischen Gleichgewicht zu bringen und eine weiteres Aufblähen zu bewirken. Auf diese Weise entsteht ein ausgeprägter Sternwind, der zu hohen Masseverlusten führt. Als wesentlichen Antrieb für die Sternwinde im Bereich des asymptotischen Riesen-Asts vermutet man den Einfluss von Stoßwellen und Strahlungsdruck auf Moleküle und Staubteilchen.Als Folge des gravierenden Materieverlusts wird die Sternmasse zu gering, um im kontrahierten Kern die kritische Temperatur für das Kohlenstoffbrennen, also für die Fusion von Kohlenstoff zu Magnesium und Natrium beziehungsweise Neon, zu erreichen. Deshalb endet die nukleare Entwicklung der Sterne des asymptotischen Riesen-Asts schließlich mit einem dichten und heißen Kern aus Kohlenstoff und Sauerstoff, der eine Temperatur von rund 100 000 K aufweist. Ein solches Objekt, in dem sämtliche Kernreaktionen erloschen sind, nennt man einen Weißen Zwerg. Dessen Kohlenstoff-Sauerstoff-Kern ist umgeben von einer sehr ausgedehnten Wasserstoff-Helium-Hülle, die durch das hochenergetische UV-Strahlungsfeld des Zentralsterns ionisiert wird und deren Leuchten als Planetarischer Nebel zu beobachten ist.Nach heutigem Wissen scheint sicher, dass alle Sterne mit Anfangsmassen kleiner als 7 bis 8 Sonnenmassen als Weiße Zwerge enden. Deren typische Massen liegen nämlich in einem Bereich zwischen 0,5 und 0,6 Sonnenmasse. Die maximal mögliche Masse für einen Weißen Zwerg beträgt etwa 1,4 Sonnenmasse. Dies hat der indische Astrophysiker Subrahmanyan Chandrasekhar bereits 1931 im Rahmen der Quantentheorie berechnet. Als Formel ausgedrückt beträgt der Wert der Chandrasekhar-Masse MCh = 1,4 M○. Trotz ihrer teils hohen Oberflächentemperatur sind die Weißen Zwerge recht lichtschwache Objekte. Dies ist auf ihre relativ kleine Oberfläche zurückzuführen. Ihr Radius beträgt typischerweise nur ein Hundertstel des Sonnenradius, sodass ein Weißer Zwerg zwar etwa die Masse der Sonne, aber nur die Größe der Erde besitzt.Lebensweg der massereichen SterneVerglichen mit der Entwicklung von Sternen mit Ausgangsmassen unter acht Sonnenmassen verläuft der Lebensweg der massereichen Sterne deutlich anders. Bei diesen Objekten mit Anfangsmassen größer als acht Sonnenmassen kommt es in vielen Phasen ihrer Entwicklung ebenfalls zu einem erheblichen Masseverlust durch ausgeprägte Sternwinde. Der Motor dieser Winde ist hauptsächlich der Strahlungsdruck. Trotz der Verluste behalten die sehr heißen und leuchtkräftigen Sterne aber noch genügend Masse, um nach dem Heliumbrennen auch das Kohlenstoffbrennen zu zünden. Bei Sternen oberhalb zehn Sonnenmassen reicht die Fusionskette sogar noch weiter, und es entstehen Elemente, die schwerer sind als Kohlenstoff. Modellrechnungen zufolge bleibt von einem Stern mit einer Ausgangsmasse von 30 Sonnenmassen am Ende der thermonuklearen Entwicklung noch ein Rest von etwa fünf Sonnenmassen übrig.Das Kohlenstoffbrennen setzt ein, sobald der durch das Heliumbrennen entstandene Kohlenstoff-Sauerstoff-Kern eine Temperatur von 600 bis 700 Millionen K erreicht hat. Wie auf der Hauptreihe (durch Wasserstoffbrennen) und auf dem Horizontalast (durch Heliumbrennen) ermöglicht es auch diese Kernfusion dem Stern, einen dynamischen Gleichgewichtszustand einzunehmen. Verglichen mit dem Wasserstoffbrennen kann dieser Prozess aber nur für eine geringe Zeit aufrechterhalten werden. Bei Sternen mit einer Ausgangsmasse von 20 Sonnenmassen dauert das Kohlenstoffbrennen nur etwa 100 Jahre — ein Wimpernschlag im Leben eines Methusalems. Ursache dieser überraschend kurzen Zeitspanne sind die großen Neutrinoverluste, durch die dem Stern riesige Energiemengen entzogen werden. Ohne diese Verluste würde der Kohlenstoffvorrat für gut 10 000 Jahre reichen.Durch das Kohlenstoffbrennen entsteht im Stern ein Kern mit einer hohen Dichte von 100 kg/cm3, der hauptsächlich aus Sauerstoff, Neon und Magnesium besteht. Für Sterne mit einer Anfangsmasse größer als zehn Sonnenmassen besitzt dieser Kern genügend Masse, um durch Kontraktion auch die Temperatur für das Neonbrennen (etwa 1,2 Milliarden K) und das Sauerstoffbrennen (etwa 2 Milliarden K) zu erreichen. Die jeweiligen Endprodukte der beiden Kernreaktionen sind im Wesentlichen Magnesium und Silicium beziehungsweise Silicium, Schwefel und Argon. Wegen der extremen Temperaturabhängigkeit dieser Brennphasen und der dramatisch zunehmenden Neutrinoverluste kann das Neonbrennen aber nur zehn Jahre, das Sauerstoffbrennen sogar nur ein Jahr lang ablaufen.Als Endresultat ergibt sich ein Silicium-Schwefel-Kern, der ebenfalls kontrahiert und schließlich oberhalb von drei Milliarden K das Silicium- und Schwefelbrennen zündet. Die Fusionsdauer dieses Prozesses beträgt wegen der erneut gestiegenen Neutrinoverluste nur noch wenige Stunden, in denen jedoch ein Eisen-Nickel-Kern entsteht. Anschließend wird das Nickel durch radioaktiven Zerfall (Halbwertszeit 6,1 Tage) über Cobalt (Halbwertszeit 78,8 Tage) ebenfalls in Eisen verwandelt. Mit der Bildung eines zentralen Eisenkerns sind nun die für exotherme Kernfusionen verfügbaren Energiequellen endgültig erschöpft.SupernovaeIm weiteren Leben des Sterns steht dem schweren Eisenkern ein dramatisches Schicksal bevor, vor dem ihn selbst seine extremen Eigenschaften nicht schützen. Bei einem Stern mit ursprünglich 20 Sonnenmassen hat der Eisenkern eine Masse von 1,5 Sonnenmassen und eine Temperatur von drei Milliarden Kelvin. Seine Dichte liegt bei 100 000 kg/cm3 — um eine solche Dichte zu erreichen, müsste man zum Beispiel eine E-Lok in einen Fingerhut pressen. Wegen seiner hohen Dichte und der dichten Packung der Elektronen ähnelt der zentrale Eisenkern weitgehend einem Weißen Zwerg, wobei jedoch ein fataler Unterschied besteht. Bei den im Eisenkern herrschenden Temperaturen werden nämlich zwei Prozesse wichtig: die Elektron-Positron-Paarbildung durch thermische Photonen und vor allem die Photodesintegration, also das Zertrümmern von Atomkernen durch hochenergetische Photonen. Als Folge davon werden die Eisenkerne in je 26 Protonen und 30 Neutronen zerlegt.Der Zerfall der Eisenkerne ist ein katastrophales Ereignis im Leben des Sterns. Es führt zum Verlust seiner Stabilität und damit zum sofortigen Kollaps der Zentralbereiche, der sich in weniger als einer Zehntelsekunde vollzieht. Beherrscht von der unvorstellbar hohen Gravitation wird dabei innerhalb von Sekundenbruchteilen ein dramatisches Geschehen in Gang gesetzt, das nach heutiger Erkenntnis in folgenden Schritten abläuft:(1) Durch die Photodesintegration und das Zermalmen der Kerne beim Kollaps wird die Materie in Neutronen, Protonen und Elektronen zerlegt.(2) Infolge des extrem zunehmenden Drucks vereinigen sich Elektronen und Protonen zu Neutronen. Das Verschwinden der Elektronen, die die Hälfte der Materieteilchen ausmachen, bewirkt aber einen großen Druckabfall, und damit bricht jeder Widerstand gegen die Gravitation vollends zusammen. Die Folge: Die Materie stürzt ins Zentrum, wobei sie ein Zehntel der Lichtgeschwindigkeit erreicht.(3) Wenn die Dichte der auf das Zentrum einfallenden Neutronenmaterie einen Wert von 10 11 kg/cm3 (also 1 Million E-Loks im Fingerhut) erreicht hat, wird der gegenseitige Abstand der Neutronen so klein, dass sie sich berühren. In diesem Stadium können sie dem Pauli-Prinzip zufolge nicht mehr weiter komprimiert werden. Im Zentrum entsteht ein neuer stabiler Gleichgewichtszustand — ein Neutronenstern. Dabei handelt es sich um eine inkompressible Kugel aus entarteter Neutronenmaterie. Die Masse eines solchen Sterns beträgt etwa 1,4 bis 3 Sonnenmassen, doch sein Radius liegt bei nur 10 bis 20 Kilometer.Wegen der außerordentlichen Festigkeit und Härte eines Neutronensterns, dessen Oberfläche aus einem quasikristallinen Körper aus extrem neutronenreichen Atomen besteht, wird das aus den äußeren Regionen nachströmende Material, das mit gewaltiger Energie auf den noch oszillierenden Neutronenstern trifft, mit großer Wucht reflektiert und nach außen geschleudert. Damit verbunden ist ein rapider Anstieg der Leuchtkraft um viele Größenordnungen, der auf der raschen Vergrößerung der leuchtenden Oberfläche beruht. Dies bewirkt, dass ein zuvor relativ unscheinbarer Stern plötzlich als Supernova hell am Himmel aufleuchtet.Eine Supernova leuchtet zehn Milliarden Mal heller als die Sonne, sie sendet so viel Licht aus wie 10 Milliarden Sterne. Betrachtet man die von der Supernova insgesamt freigesetzte Energie, so kommt man auf den unvorstellbaren Betrag von rund 1046 Joule. Insgesamt strahlt eine Supernova so viel Energie ab wie zehn Milliarden Galaxien mit jeweils zehn Milliarden Sonnen in einer Sekunde. Supernova-Explosionen sind also außerordentlich spektakuläre Endpunkte auf dem Lebensweg der massereichen Sterne.Überreste von SupernovaeDas bisher geschilderte Supernova-Phänomen als Folge eines Kernzusammenbruchs bezeichnet man als Supernova Typ II. Daneben gibt es aber Ereignisse, die noch gewaltiger sind — die Supernovae Typ I. Sie setzen noch mehr Energie frei und senden noch mehr Licht aus. Ihr Ausgangspunkt sind enge Doppelsternsysteme, deren eine Komponente ein Weißer Zwerg ist. Geht im Lauf der Entwicklung Materie vom Begleitstern auf den Weißen Zwerg über, kann dadurch dessen Masse die Chandrasekhar-Masse von 1,4 Sonnenmassen überschreiten. Dadurch kann der Weiße Zwerg gravitationsinstabil werden und in sich zusammenstürzen, wobei die Folgen ähnlich dramatisch sind wie im Fall der Supernovae Typ II.Auch lange Zeit nach einer Supernova-Explosion sind deren Spuren deutlich in Supernova-Überresten zu beobachten. Dabei handelt es sich um die bei der Explosion ins All geschleuderte Sternmaterie. Sie bildet ein inhomogenes und turbulentes, von Magnetfeldern durchzogenes Plasma, das bis zu eine Million Kelvin heiß ist und mit einer Geschwindigkeit von mehreren Tausend Kilometern pro Stunde expandiert. Anhand der typischen Lebensdauer von etwa 100 000 Jahren und der derzeitigen Anzahl von rund 150 Überresten in unserem Milchstraßensystem schätzt man, dass in der Galaxis durchschnittlich alle 50 Jahre eine Supernova ausbricht.Den bekanntesten Überrest einer Supernova finden wir im Sternbild Stier (Taurus) als diffus leuchtende, inhomogene Gasansammlung, der Krebs-Nebel. Ebenfalls bekannt sind die von Tycho Brahe 1572 und von Johannes Kepler 1604 beobachteten Supernova-Ausbrüche. Ein nicht nur für Astronomen aufregendes Ereignis fand am 23. Februar 1987 statt. An diesem Tag registrierten mehrere Beobachter unabhängig voneinander einen Supernova-Ausbruch in der 160 000 Lichtjahre entfernten Großen Magellan'schen Wolke. Das Leuchten dieser spektakulären Supernova mit der Bezeichnung SN 1987 A war am Südhimmel mit bloßem Auge zu sehen.Im November 1967 machte im englischen Cambridge die junge Wissenschaftlerin Jocelyn Bell eine großartige Entdeckung. Unter Anleitung ihres Doktorvaters Antony Hewish untersuchte sie den Himmel im langwelligen Bereich der Radiowellen. Dabei stieß sie auf eine neuartige Radioquelle, die mit einem außerordentlich exakten Takt (Periodendauer 1,337 301 1 s) eine gepulste Strahlung aussendet. Wegen der gepulsten Strahlung werden solche Radioquellen als Pulsare bezeichnet.Die eingehende Analyse der empfangenen Signale ergab: Bei der Radioquelle handelt es sich um einen Neutronenstern, der mit der Pulsfrequenz rotiert und ein starkes Magnetfeld aufweist. Sind Rotationsachse und Magnetfeldachse gegeneinander geneigt, so entstehen enorm starke elektrische Felder. Diese beschleunigen Protonen und Elektronen an der Oberfläche des Neutronensterns auf sehr hohe Geschwindigkeiten, wobei die Elektronen eine Synchrotronstrahlung aussenden. Bedingt durch die Geometrie des Magnetfelds, entstehen zwei entgegengesetzt austretende Strahlungsbündel. Da der Pulsar um seine eigene Achse rotiert, kann eins der Strahlungsbündel die Erde überstreichen, wenn sie in der Ebene liegt, die das Strahlungsbündel — dem Lichtstrahl eines Leuchtturms ähnlich — überstreicht.Bis Anfang 1995 waren in der Milchstraße etwa 600 Pulsare bekannt. Ihre Puls- und damit auch ihre Rotationsperioden sind außerordentlich konstant und liegen im Bereich von wenigen Sekunden bis hinab zu Millisekunden. Ein unter Fachleuten sehr bekanntes Objekt ist der Pulsar PSR0531+21. Er liegt im Innern des Krebs-Nebels und wird mit jenem Neutronenstern identifiziert, dessen Explosion im Jahr 1054 als Supernova am Himmel zu sehen war.DoppelsternsystemeÜber die Hälfte aller Sterne sind Doppelsternsysteme, besitzen also jeweils einen Partner, mit dem sie sich in einer Bahnebene um einen gemeinsamen Schwerpunkt bewegen. Im Hinblick auf die Sternentwicklung sind Doppelsterne nur bei räumlich sehr engen Systemen von Bedeutung. Bei ihnen kann ein Materieaustausch stattfinden, durch den sich die Masse eines der Sterne auf Kosten seines Begleiters substanziell ändert. Dies geschieht zum Beispiel, wenn sich als Folge unterschiedlichen Ausgangsmassen die beiden Sterne eines Doppelsystems auf verschiedene Weise und mit unterschiedlicher Geschwindigkeit entwickeln.Weil der Entwicklungsweg eines Sterns hauptsächlich durch sein Gravitationsfeld und die zugrunde liegende Masse bestimmt wird, muss man bei der Entwicklung einer Doppelsternkomponente zwei Aspekte beachten: zum einen die Modifikation des Gravitationsfelds durch die Anziehungskräfte des Begleiters, zum anderen die Änderung der Sternmassen durch Materieaustausch.Bei den meisten Doppelsternen allerdings haben die Einzelkomponenten einen so großen Abstand voneinander, dass praktisch kein Masseaustausch stattfindet und ihr Gravitationspotenzial annähend sphärisch symmetrisch bleibt. Aus diesem Grund lassen sich die Komponenten solcher Doppelsysteme gut als Einzelsterne beschreiben, sodass die bisher für Einzelobjekte dargestellte Entwicklung auch hier gültig bleibt.Schwarze LöcherWie bei Weißen Zwergen die Chandrasekhar-Masse gibt es auch für Neutronensterne eine maximale Grenzmasse, jenseits deren keine dynamisch stabilen Zustände mehr existieren können. Aus theoretischen Überlegungen folgt für einen Neutronenstern eine maximal denkbare Masse von 3,2 Sonnenmassen. Berechnungen mit einem größeren Realitätsbezug ergeben lediglich eine Grenzmasse von etwa 2 Sonnenmassen. Jenseits dieses Grenzwerts kann kein Neutronenstern existieren, da es nach heutigen Erkenntnissen keine Kraft gibt, die der Eigengravitation des Sterns dann das Gleichgewicht halten und damit einen stabilen Zustand ermöglichen kann.Wenn also die Masse eines kollabierenden stellaren Kerns größer ist als die Grenzmasse, dann kann aus einem solchen Kern weder ein Weißer Zwerg (Grenzmasse 1,4 M○) noch ein Neutronenstern (Grenzmasse 2 M○) entstehen. Der Relativitätstheorie zufolge sollte ein astronomisches Objekt entstehen, das man anschaulich als Schwarzes Loch bezeichnet.Die Existenz Schwarzer Löcher wird seit langem vermutet, ist aber noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Ein viel versprechender Kandidat für ein Schwarzes Loch ist die unsichtbare Komponente des Röntgendoppelsterns Cygnus X1. Aus Bahnanalysen ergibt sich, dass deren Masse größer als 8 Sonnenmassen sein sollte. Mit dieser großen Masse wäre die Komponente als normaler Stern ohne weiteres sichtbar. Da dies nicht der Fall ist, muss man schließen, dass es sich um ein Schwarzes Loch handelt.Schwarze Löcher sind tatsächlich schwarz, das heißt, sie senden kein Licht von ihrer »Oberfläche« aus. Für Schwarze Löcher gilt generell, dass von dieser Grenzfläche — und auch von allen Bereichen innerhalb davon — keinerlei Teilchen in den Außenraum entweichen können; das gewaltige Gravitationsfeld hält selbst die Photonen des Lichts zurück.Der Radius dieser Grenzfläche ist nach dem deutschen Astrophysiker Karl Schwarzschild benannt, der 1916 als Erster die genaue geometrische Struktur eines kollabierten Sterns mithilfe der Einstein-Gleichungen berechnet hatte. Nach den Gesetzen der Allgemeinen Relativitätstheorie beträgt der Schwarzschild-Radius: RS = 2G · M / c 2. Dabei ist M die Masse des kollabierten Objekts, G die Newton'sche Gravitationskonstante und c die Lichtgeschwindigkeit.Die Oberfläche einer Kugel mit einem Radius, der gleich dem Schwarzschild-Radius ist, stellt eine Art Trennvorhang dar. Dieser hängt sozusagen zwischen der »normalen« Welt mit unseren Erfahrungseigenschaften von Raum und Zeit (Außenraum) und einer völlig anderen Welt mit »zeitartigen« Eigenschaften des Raums und »raumartigen« Eigenschaften der Zeit (Innenraum). Die Konsequenz daraus ist, dass man zwar stets von außen durch die Schwarzschild-Oberfläche in das Schwarze Loch eindringen kann, dass aber — bei Vernachlässigung von Quanteneffekten — nichts jemals wieder von innen nach außen gelangen kann.Beim Unterschreiten des Schwarzschild-Radius bewegt sich jeder Gegenstand im freien Fall auf das Zentrum des Lochs zu. Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie herrscht dort eine unendlich hohe Gravitationskraft, die durch eine unendlich große Raumkrümmung repräsentiert wird. Der Mittelpunkt des Schwarzen Lochs stellt im mathematischen Sinn eine Singularität dar, in der die uns vertrauten Begriffe der Physik nicht mehr gelten und unsere Vorstellung von Raum und Zeit ihren Sinn verliert.Setzen wir in die obige Formel für den Schwarzschild-Radius die Masse der Sonne ein, so erhalten wir einen Wert von etwa drei Kilometer. Man müsste also die Gesamtmasse der Sonne auf das Volumen einer Kugel mit einem Radius von höchstens drei Kilometern zusammendrücken, um ein Schwarzes Loch zu erhalten. Für die Erde ergibt sich nach diesen Berechnungen ein Schwarzschild-Radius von etwa neun Millimetern. Da aber ein Schwarzes Loch aufgrund seiner Entstehungsgeschichte auf jeden Fall eine Masse besitzen muss, die größer ist als die Maximalmasse eines Neutronensterns und erst recht als diejenige eines Weißen Zwergs, können wir grundsätzlich ausschließen, dass sich die Sonne oder gar die Erde jemals zu einem Schwarzen Loch entwickeln.Prof. Dr. Erwin Sedlmayr, Dipl.-Phys. Karin Sedlmayr und Dr. Achim GoeresWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:chemische Elemente: EntstehungSterne: EntstehungCambridge-Enzyklopädie der Astronomie, herausgegeben von Simon Mitton. Aus dem Englischen. Sonderausgabe München 1989.Der große JRO-Atlas der Astronomie, herausgegeben von Jean Audouze u. a. Aus dem Französischen. München 21990.Greenstein, George: Der gefrorene Stern. Pulsare, schwarze Löcher und das Schicksal des Alls. Aus dem Amerikanischen. Taschenbuchausgabe München 21989.Henkel, Hans Rolf: Astronomie. Thun u. a. 41991.Herrmann, Joachim: dtv-Atlas zur Astronomie. Tafeln und Texte. Mit Sternatlas. München 111993.Kaler, James B.: Sterne. Die physikalische Welt der kosmischen Sonnen. Aus dem Amerikanischen. Heidelberg u. a. 1993.Lexikon der Astronomie, bearbeitet von Rolf Sauermost. 2 Bände. Lizenzausgabe Heidelberg u. a. 1995.Oberhummer, Heinz: Kerne und Sterne. Einführung in die nukleare Astrophysik. Leipzig u. a. 1993.Scheffler, Helmut / Elsässer, Hans: Physik der Sterne und der Sonne. Mannheim u. a. 21990.Smolin, Lee: Warum gibt es die Welt? Die Evolution des Kosmos. Aus dem Amerikanischen. München 1999.Voigt, Hans-Heinrich: Abriß der Astronomie. Mannheim u. a. 51991.Weigert, Alfred / Wendker, Heinrich J.: Astronomie und Astrophysik. Ein Grundkurs. Weinheim u. a. 31996.Zimmermann, Helmut / Weigert, Alfred: ABC-Lexikon Astronomie. Heidelberg u. a. 81995.
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